Wie Streit beim Gassi gehen vermieden werden kann

Sie kennen Situationen bei denen ein ruhiger und ausgedehnter Spaziergang mit ihrem Hund in Ärger, Wut und Frustration umschlägt?
Sie treffen auf der Gassirunde Mensch-Hund-Gespanne denen sie lieber nicht begegnet und aus dem Weg gegangen wären?
Auch die lieben Mitmenschen können Sie als Hundehalter gehörig aus der Räson bringen und Ihnen nachhaltig den Tag verderben?

Verbale und körperliche Angriffe auf Mensch und Hund sind leider keine Ausnahme mehr. Immer wieder kommt es zu Beleidigungen, Drohungen und Körperverletzungen sowie Übergriffen auf den Hund.

Ich möchte Ihnen anhand eines Beispiels kurz darstellen, welche konfliktminimierende Handlungs- und Verhaltensalternativen Sie haben, um Ihnen in einem Fall des Streits beim Gassi gehen gut aus der Situation heraus zu kommen.

Das Recht

Das Recht begleitet Sie durch das Leben und regelt in unserer Gesellschaft das tägliche Miteinander der Menschen. Dementsprechend wird auch der Umgang von und mit dem Hund gesetzlich normiert. Beispielsweise gehen Sie zivilrechtliche Verträge beim Kauf vom Züchter oder bei der Behandlung ihres Hundes durch den Tierarzt ein. Darüber hinaus schreibt und beschreibt der Gesetzgeber Ge- und Verbote, beispielsweise im Strafgesetzbuch, im Hundegesetz, im Grünanlagengesetz oder im Waldgesetz an die sich alle Personen halten müssen. Verstößt jemand gegen diese Normen kommt es unweigerlich zu einem Streit. Oftmals wird durch ein Verhalten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeiten begangen, was wiederum die Gerichte beschäftigt, die Rechtsanwälte erfreut und Sie selbst belastet.

Diese so abstrakt wirkenden Paragraphen werden durch das Leben und Ihren persönlichen Erlebnissen zu konkreten Einzelfällen, die Sie irgendwie überstehen und bewältigen müssen.

Etwa wenn Frau Motz Sie mit den Worten

“Kannst Du Idiot Deinen scheiß Köter nicht anleinen! Jedes Mal springt der mich an?!”

anblafft. In diesem kurzen Sachverhalt wird eine Straftat begangen und eine Ordnungswidrigkeit verwirklicht und es entstehen zudem möglicherweise wechselseitige zivilrechtliche Ansprüche, sprich Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld.

Der Fall

An dieser Stelle soll es aber nicht um eine rechtliche Abhandlung gehen. Ich möchte Ihnen folgenden tatsächlich vorgekommenen kleinen Fall vorstellen:

Die alleinstehende Frau Klein hat vor geraumer Zeit den West Highland Terrier Luke aus dem Tierheim zu sich genommen. Luke ist insgesamt gut erzogen, springt vor Freude jedoch gerne hoch und bettelt sobald er merkt, dass ein Mensch möglicherweise ein Leckerchen haben könnte. Im schlimmsten Fall kombiniert er diese beiden Verhaltensweisen.

Frau Klein ist auf der Suche nach Anschluss und entdeckt für sich ein nahegelegenes Feld, wo sie sich jeden Abend mit einer kleineren Gruppe trifft. Mensch spricht miteinander, die Hunde spielen zusammen und Frau Klein ist glücklich Gleichgesinnte gefunden zu haben.

Eines Abends brachte ihre Bekannte, Frau Motz, Leckerchen für die Hunde mit und gab jedem Tier eines. Dies tat sie jedoch ohne die anderen Halter zu fragen, ob ihnen das Recht sei.

Am nächsten Tag hat sie keinen Hundekeks dabei, was Luke nicht davon abhält vehement danach zu verlangen. An den folgenden Tagen kommt es nun jeweils zu diesen unterschiedlichen Situationen: Mal hat Frau Motz Leckerchen dabei, mal nicht. Wenn Sie keine dabei hat bettelt Luke.

Der Konflikt

Nach einigen Gassigängen wird Frau Motz sehr wütend und blafft Frau Klein an:

“Nehmen Sie doch endlich mal Ihren Hund von mir weg! Jedes Mal springt er an mir hoch und macht meine Hosen dreckig!”

Frau Klein ist ihrerseits nun völlig konsterniert und erwidert:

“Luke ist doch von Ihnen mehrmals gefüttert und angelockt worden! Es ist doch Ihre eigene Schuld!”

Daraufhin kommt es zu einem Streitgespräch in dessen Verlauf Frau Klein sehr traurig und frustriert nach Hause geht. Sie überlegt nun, was sie tun kann. Spontan kommen ihr zwei Ideen: Entweder trifft sie sich nicht mehr mit der Gruppe und zieht sich wieder in Ihr Schneckenhaus zurück oder sie nimmt das nächste Mal selbst Hundekekse mit, in der Hoffnung Luke würde nicht von ihrer Seite weichen.

Wie finden Sie die Lösungsalternativen von Frau Klein? Ihnen wäre etwas anders eingefallen? Beispielsweise ordentlich zurück pöbeln, was Ihr einfiele – schließlich ist sie ja selbst schuld – oder mit Luke in eine Hundeschule gehen, damit er das Betteln und das Anspringen unterlässt?

Die Lösung?

Wie kann eine Lösung aussehen? Optimal ist es, die Bedürfnisse und Wünsche beider Parteien unter einen Hut zu bekommen. Dazu kann eine Mediation – also eine geführte Streitschlichtung – hilfreich sein. Zunächst möchte ich feststellen, dass es bei einer Mediation keine falsche und keine schlechte Lösung gibt. Denn im Rahmen des Prozesses kommen alle Argumente, jedes für und wider und jeder Lösungsweg auf den gemeinsamen Prüfstand. Der Prozess dauert solange bis beide Parteien mit der Lösung 100-prozentig zufrieden sind und sich ein Konsens gefunden hat. Mediation sorgt für ein gleichberechtigtes Miteinander und bevorzugt keine der Streitparteien.

An dieser Stelle dürfen Sie nachdenken, ob das Anziehen einer dunklen Hundehose, das gemeinsame Trainieren von Lukes Verhalten, kein Mitbringen von Keksen oder etwas ganz anderes Ihre Lösung ist.

Bei der Schilderung des Falles ist deutlich geworden, dass sich sowohl Frau Klein als auch Frau Motz in der Situation sehr unwohl fühlen. Die Gründe haben möglicherweise nicht einmal etwas mit der Situation selbst zu tun.

Entscheidend ist, dass beide Frauen ein Recht darauf haben sich so zu fühlen und dies auch kund zu tun. Die Frage ist, wie die Zwei jetzt wieder ins Gespräch kommen…

Gewaltfreie Kommunikation

Losgelöst von einer Mediation, die erst zum Tragen käme, wenn Frau Klein und Frau Motz nicht mehr miteinander sprechen, kann ein Gespräch im Rahmen der gewaltfreien Kommunikation vieles erleichtern.

Das Thema ruft bei vielen Menschen ein müdes Lächeln und eine Augenbrauenzucken in das Gesicht. Das Sprichwort“Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus!” kommt nicht von ungefähr. Um eine Situation vernünftig anzusprechen und zu klären oder um diese zu beruhigen gibt es Kommunikationsformen und Gesprächstechniken, die deeskalierend wirken und Ihnen helfen einen “Streit beim Gassi gehen” gut zu lösen und diesen im besten Fall zu vermeiden.

Selbstverständlich bewirkt ein Lächeln und eine freundliche Entschuldigung Wunder. Darüber hinaus beinhaltet die gewaltfreie Kommunikation grundsätzlich vier Elemente:

  1. genau beobachten und die Beobachtungen neutral beschreiben
  2. die eigenen Gefühle ausdrücken
  3. Bedürfnisse erkennen
  4. Bitten aussprechen.

Was bedeutet das nun für mein obiges Beispiel? Hier sei ein möglicher Einstieg in ein Gespräch dargestellt. Entscheiden Sie selbst: Hätten diese Formulierungen in der Situation von Frau Klein und Frau Motz zu einem entspannten und lösungsorientierten Gespräch geführt?

Frau Motz könnte sagen:

  1. Luke kommt immer zu mir gerannt, bettelt und springt an mir hoch. Dabei macht er meine Hose dreckig.
  2. Das enttäuscht mich und macht mich wütend.
  3. Ich möchte nicht, dass Luke unaufgefordert zu mir kommt. Insbesondere wenn ich wieder Schmerzen im Knie habe, tut mir jede Berührung weh. Ich nehme dann schon extra keine Leckerchen mit.
  4. Bitte fragen Sie mich, ob Luke zu mir laufen darf und bitte sorgen Sie dafür, dass er nicht mehr an mir hochspringt.

Frau Klein könnte sagen:

  1. Luke durfte mal zu Ihnen und hat ein Leckerchen bekommen und mal nicht.
  2. Das verwirrt mich sehr.
  3. Ich möchte, dass wir gut miteinander auskommen und weiter mit der netten Runde Gassi gehen.
  4. Bitte sagen Sie mir doch vorher wie es Ihnen geht, damit ich auf Luke rechtzeitig abrufen kann.

Hört sich gut an, oder?

Fazit

Streit beim Gassi gehen muss nicht sein, denn die Stunden an der frischen Luft mit dem besten Freund des Menschen sollen Ihrem Wohlbefinden dienen und nicht den Stress des Alltags weiter vergrößern.

 


Über den Autor Sebastian Bayer-Lemke

Sebastian Bayer-Lemke ist  zertifizierter Mediator und arbeitet seit über einem Jahrzehnt mit Konflikten und Auseinandersetzungen in den verschiedensten beruflichen und privaten Kontexten.

Seit dem Jahr 2000 ist Sebastian Polizeibeamter und arbeitet derzeit als Ausbilder und Fachlehrer Recht an der Polizeiakademie Berlin. Weitere Tätigkeiten innerhalb der Polizei Berlin waren unter anderem Wachleiter, Zugführer einer Einsatzhundertschaft und Präventionsbeauftragter.

Seit August 2014 ist er außerdem selbstständiger Mediator und seit Oktober 2014 lehrt er als Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Im Jahr 2003 hat Sebastian sein Studium an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (jetzt Hochschule für Wirtschaft und Recht) mit einem Diplom abgeschlossen. An der Freien Universität Berlin hat er dann 2012 sein erstes Staatsexamen abgelegt und ist seitdem Diplom Jurist.

Im Jahr 2014 habe ich meine Ausbildung zum Mediator bei BerlinMediation beendet.

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